M ARTIN H EIDEGGER
EL ARTE Y EL ESPACIO
Traducción de
J ESÚS A DRIÁN E SCUDERO
Herder
www.herdereditorial.com
Título original: Die Kunst und der Raum
Traducción: Jesús Adrián Escudero
Diseño de cubierta: Michel Tofahrn
Maquetación electrónica: José Toribio Barba
© 2010, Martin Heidegger
© 2010, Herder Editorial, S. L., Barcelona
© 2012, de la presente edición, Herder Editorial, S. L., Barcelona
ISBN DIGITAL: 978-84-254-2993-4
La reproducción total o parcial de esta obra sin el consentimiento expreso de los titulares del Copyright está prohibida al amparo de la legislación vigente.
Herder
www.herdereditorial.com
Í NDICE
Para Eduardo Chillida
Wenn man viel selbst denkt,
so findet man viele Weisheit
in die Sprache eingetragen.
Es ist wohl nicht wahrscheinlich,
daß man alles selbst hineinträgt
sondern es liegt wirklich
viel Weisheit darin,
so wie in den Sprichwörtern.
G. C HR. L ICHTENBERG
Δοκεῖ δὲ μέγα τι εἶναι καὶ
χαλεπὸν ληφθῆναι ὁ τόπος)
Es scheint aber etwas Großmächtiges
zu sein und schwer zu fassen,
der Topos – das heißt der Ort-Raum.
A RISTOTELES, Physik, IV. Buch
Die Bemerkungen zur Kunst, zum Raum, zum Ineinanderspiel beider bleiben Fragen, auch wenn sie in der Form von Behauptungen sprechen. Sie beschränken sich auf die bildende Kunst und innerhalb ihrer auf die Plastik.
Die plastischen Gebilde sind Körper. Ihre Masse, aus verschiedenen Stoffen bestehend, ist vielfältig gestaltet. Das Gestalten geschieht im Abgrenzen als Ein- und Ausgrenzen. Hierbei kommt der Raum ins Spiel. Er wird vom plastischen Gebilde besetzt, als geschlossenes, durchbrochenes und leeres Volumen geprägt. Bekannte Sachverhalte und dennoch rätselhaft.
Der plastische Körper verkörpert etwas. Verkörpert er den Raum? Ist die Plastik eine Besitzergreifung vom Raum, eine Beherrschung des Raumes? Entspricht die Plastik damit der technisch-wissenschaft-lichen Eroberung des Raumes?
Als Kunst freilich ist die Plastik eine Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Raum. Die Kunst und die wissenschaftliche Technik betrachten und bearbeiten den Raum in verschiedener Absicht auf verschiedene Weise.
Der Raum aber – bleibt er der selbe? Ist es nicht jener Raum, der seit Galilei und Newton seine erste Bestimmung erfahren hat? Der Raum – jenes gleichförmige, an keiner der möglichen Stellen ausgezeichnete, nach jeder Richtung hin gleichwertige, aber sinnlich nicht wahrnehmbare Auseinander?
Der Raum – der inzwischen in steigendem Maße immer hartnäckiger den modernen Menschen zu seiner letzten Beherrschbarkeit herausfordert?
Folgt nicht auch die moderne bildende Kunst dieser Herausforderung, insofern sie sich als eine Auseinandersetzung mit dem Raum versteht? Findet sie sich dadurch nicht in ihrem zeitgemäßen Charakter bestätigt?
Doch kann der physikalisch-technisch entworfene Raum, wie immer auch er sich weiterhin bestimmen mag, als der einzig wahre Raum gelten? Sind, mit ihm verglichen, alle anders gefügten Räume, der künstlerische Raum, der Raum des alltäglichen Handelns und Verkehrs, nur subjektiv bedingte Vorformen und Abwandlungen des einen objektiven kosmischen Raumes?
Wie aber, wenn die Objektivität des objektiven Weltraumes unweigerlich das Korrelat der Subjektivität eines Bewußtseins bleibt, das den Zeitaltern fremd war, die der europäischen Neuzeit vorausgingen?
Selbst wenn wir die Verschiedenartigkeit der Raumerfahrungen in den vergangenen Zeitaltern anerkennen, gewinnen wir damit schon einen Einblick in das Eigentümliche des Raumes? Die Frage, was der Raum als Raum sei, ist damit noch nicht gefragt, geschweige denn beantwortet. Unentschieden bleibt, auf welche Weise der Raum ist und ob ihm überhaupt ein Sein zugesprochen werden kann.
Der Raum – gehört er zu den Urphänomenen, bei deren Gewahrwerden nach einem Wort Goethes den Menschen eine Art von Scheu bis zur Angst über-kommt? Denn hinter dem Raum, so will es scheinen, gibt es nichts mehr, worauf er zurückgeführt werden könnte. Vor ihm gibt es kein Ausweichen zu anderem. Das dem Raum Eigentümliche muß sich von ihm selbst her zeigen. Läßt sich sein Eigentümliches noch sagen?
Aus der Not solchen Fragens wird uns das Eingeständnis abverlangt:
Solange wir das Eigentümliche des Raumes nicht erfahren, bleibt auch die Rede von einem künst-lerischen Raum dunkel. Die Weise, wie der Raum das Kunstwerk durchwaltet, hängt vorerst im Unbestimmten.
Der Raum, innerhalb dessen das plastische Gebilde wie ein vorhandener Gegenstand vorgefunden werden kann, der Raum, den die Volumen der Figur umschließen, der Raum, der als Leere zwischen den Volumen besteht – sind diese drei Räume in der Einheit ihres Ineinanderspielens nicht immer nur Abkömmlinge des einen physikalisch-technischen Raumes, auch wenn rechnerische Abmessungen nicht in das künstlerische Gestalten eingreifen dürfen?
Einmal zugestanden, die Kunst sei das Ins-Werk-Bringen der Wahrheit und Wahrheit bedeute die Unverborgenheit des Seins, muß dann nicht im Werk der bildenden Kunst auch der wahre Raum, das, was sein Eigenstes entbirgt, maßgebend werden?
Doch wie können wir das Eigentümliche des Raumes finden? Es gibt einen Notsteg, einen schmalen freilich und schwankenden. Wir versuchen auf die Sprache zu hören. Wovon spricht sie im Wort Raum? Darin spricht das Räumen. Dies meint: roden, die Wildnis freimachen.
Das Räumen erbringt das Freie, das Offene für ein Siedeln und Wohnen des Menschen.
Räumen ist, in sein Eigenes gedacht, Freigabe von Orten, an denen die Schicksale des wohnenden Menschen sich ins Heile einer Heimat oder ins Unheile der Heimatlosigkeit oder gar in die Gleichgültigkeit gegenüber beiden kehren.
Räumen ist Freigabe der Orte, an denen ein Gott erscheint, der Orte, aus denen die Götter entflohen sind, Orte, an denen das Erscheinen des Göttlichen lange zögert.
Räumen erbringt die jeweils ein Wohnen bereitende Ortschaft. Profane Räume sind stets die Privation oft weit zurückliegender sakraler Räume.
Räumen ist Freigabe von Orten.
Im Räumen spricht und verbirgt sich zugleich ein Geschehen. Dieser Charakter des Räumens wird allzu leicht übersehen. Und wenn er gesehen ist, bleibt er immer noch schwer zu bestimmen, vor allem, solange der physikalisch-technische Raum als der Raum gilt, an den sich jede Kennzeichnung des Raumhaften im vorhinein halten soll.
Wie geschieht das Räumen? Ist es nicht das Einräumen und dies wiederum in der zwiefachen Weise des Zulassens und des Einrichtens?
Einmal gibt das Einräumen etwas zu. Es läßt Offenes walten, das unter anderem das Erscheinen anwesender Dinge zuläßt, an die menschliches Wohnen sich verwiesen sieht.
Zum anderen bereitet das Einräumen den Dingen die Möglichkeit, an ihr jeweiliges Wohin und aus diesem her zueinander zu gehören.
Im zwiefältigen Einräumen geschieht die Gewährnis von Orten. Der Charakter dieses Geschehens ist solches Gewähren. Doch was ist der Ort, wenn sein Eigentümliches sich am Leitfaden des freigebenden Einräumens bestimmen soll?
Der Ort öffnet jeweils eine Gegend, indem er die Dinge auf das Zusammengehören in ihr versammelt.
Im Ort spielt das Versammeln im Sinne des freigebenden Bergens der Dinge in ihre Gegend.
Und die Gegend? Die ältere Form des Wortes lautet «Gegnet». Es nennt die freie Weite. Durch sie ist das Offene angehalten, jegliches Ding aufgehen zu lassen in sein Beruhen in ihm selbst. Dies heißt aber zugleich: Verwahren, die Versammlung der Dinge in ihr Zueinandergehören.
Die Frage regt sich: Sind die Orte erst und nur das Ergebnis und die Folge des Einräumens? Oder empfängt das Einräumen sein Eigentümliches aus dem Walten der versammelnden Orte? Träfe dies zu, dann müßten wir das Eigentümliche des Räumens in der Gründung von Ortschaft suchen, müßten die Ortschaft als das Zusammenspiel von Orten bedenken.